Sangrias Geschichte

Über das Leben in Freiheit und die Adoption eines Mustangs.

MAI 2016 Die Sonne steht schon hoch über dem Horizont, als ein neues Familienmitglied das Licht der Welt erblickt. Um ihn herum nichts als Weite und Freiheit. Seine Mutter schubst ihn neugierig an, um ihn zum Auf- stehen zu bewegen. Sangria, so wird er später heißen, schafft es beim ersten Versuch sich auf seinen wackeligen Beinchen zu halten - er ist ein Mustang! Ein in der Wildbahn geborenes Pferd. Sangria hat eine wunderbare Kindheit vor sich in den weiten Amerikas, weit entfernt von Zäunen, Ställen und Menschen. Doch der Schein trügt.

FAMILIENSTRUKTUREN Der junge Mustang lebt in einer kleinen Herdenfamilie und zieht durch das Land. Mit dabei sein 3 jähriger Vollbruder. Ein geeigneter Freund und Partner, um alles Wichtige im Leben zu lernen. Hengstfohlen dürfen meist bis zum Alter von 3-4 Jahren im Herdenverband bleiben, danach werden sie vom Leithengst aus der Herde verbannt. Eine schwierige Zeit für den herangewachsenen Hengst, dauert es doch meist sehr lange, bis der Junghengst versteht, dass er sich ab jetzt eine eigene Familie suchen muss. Diese findet er in sogenannten Bachelorgruppen/ Junghengstgruppen. Im Alter von 6-7 Jahren ist er körperlich soweit gereift, dass er sich auf die Suche nach eigenen Stuten macht, um eine Herde zu gründen.

Das Leben in der Wildbahn folgt keinen klaren Gesetzen, doch kann man Strukturen erkennen und Rückschlüsse ziehen. Es ist sogar durchaus möglich, dass eine Herde nicht nur von dem Leithengst und der Leitstute geführt wird, sondern dass es jüngeren Hengsten erlaubt ist, die Herde zu begleiten. Beobachter der Mustangherden nennen die zusätzlichen Hengste Leutnants, denn sie sind dafür zuständig, die Herde zusammenzuhalten, den Leithengst zu unterstützen und das Abwandern junger Stuten zu verhindern. Diese werden erst in späterem Alter von Fremdhengsten abgeworben. In der Decksaison birgt ein zusätzlicher Hengst in der Herde natürlich ein Risiko. Der Leithengst schafft es unter Umständen nicht, auf alle rossigen Stuten gleichzeitig aufzupassen. So erhält der ein oder andere Leutnant manchmal die Chance, eine der Stuten zu decken. Dafür genießt der Leithengst jedoch den zusätzlichen Schutz seiner Stuten über die restliche Saison. Eine Art Koexistenz entsteht. Erstaunlich ist es, dass man außerhalb der Decksaison viele Mustangfamilien friedlich zusammen an Wasserstellen antrifft, sie tolerieren sich gegenseitig.

Bilder und Videos belegen diese Beobachtungen. Dieses Zusammenleben und das Aufwachsen in freier Wildbahn prägen die wilden Pferde auf besondere Weise.

EIN GATHER STEHT BEVOR Gegen Ende des Sommers wird es allmählich ruhig "on the range". Alle Stuten sind gedeckt und das einzige Ziel der Pferde ist es genug Nahrung zu finden. Die Tage werden langsam kürzer. Aufgrund der unaufhaltsamen Vermehrung der Mustangs hat es die ein oder andere Herde schwer, auf der zur Verfügung stehenden Fläche genug Futter zu finden. Das Ökosystem gerät aus den Fugen. Werden zu früh die nötigen Winterpflanzen gefressen, ist für die kalte Jahreszeit kaum genug Futter vorhanden. Die Flächen werden überbeansprucht. Der Mensch muss eingreifen, um sowohl die Fläche, als auch die Pferde zu schützen. Zur Zeit leben 71.000 Mustangs "on the range" Nach neuesten Berechnungen reicht die Fläche um 27.000 Mustangs gesund zu ernähren. Dieses Jahr werden erneut über 10.000 Fohlen geboren. So bleibt im Moment nur die Möglichkeit, Pferde aus der Wildbahn einzufangen und an Mustangliebhaber zu vermitteln.

Auch Sangrias Familie der Herde South Steens/Oregon ist betroffen. Das BLM (Bureau of Land Management) errichtet eine "baittrap" (Fressfalle), um möglichst schonend einen Großteil dieser Pferde einzufangen. Sobald die Pferde, angelockt durch das Futter, die Falle betreten haben, verschließt sich die Falle automatisch. Auch Sangrias Familie tappt in die Falle und wird wenig später mit großen Transportern in die BLM Auffangstation in Burns gefahren.

IN DER AUFFANGSTATION Sangria wird nun wie alle eingefangenen Mustangs registriert und bekommt einen Kaltbrand auf die linke Halsseite - sein Markenzeichen. Das Brandzeichen beweist, dass er in der Wildbahn aufgewachsen ist und vom BLM (Bureau of Land Management) registriert wurde.

Mit einer weiteren Halsbandnummer (TAG Nummer) versehen, wird der kleine Pinto mit seiner Mutter in ein großes Coral gesperrt. Anhand dieser Nummer ist es auch auf weite Entfernung möglich die Pferde zu identifizieren. Ein Teil der South Steens Herde wird Tage später wieder in die Freiheit entlassen. Mit dabei Stuten, die zweimal mit dem Medikament Vaccine PZP behandelt worden sind. Dies ist ein Versuch die Mustangpopulationen zu beeinflussen, denn die behandelten Stuten können im Folgejahr nicht trächtig werden.

HOFFNUNG Für alle anderen gefangenen Mustangs beginnt in der Auffangstation die Zeit des Wartens. Die Pferde leben weiterhin unangetastet vom Menschen in riesigen Paddocks, in denen sie täglich mit Wasser und Heu versorgt werden. Interessenten kommen und gehen, aber leider nicht genug, um allen Pferden ein Zuhause zu bieten. Zudem sind die Anforderungen streng. Nicht jeder darf einfach einen Mustang adoptieren.

Interessenten müssen bestimmte Auflagen erfüllen. Sie müssen die Möglichkeit besitzen ein Wildpferd trainieren und halten zu können. Die Zäune müssen zum Beispiel sehr hoch sein und ein bestimmter Trailer ist Vorschrift, um die Mustangs sicher und ohne Verletzungsrisiko zu transportieren. Außerdem müssen sich Adoptionswillige registrieren lassen und amerikanischer Staatsbürger sein.

DIE ADOPTION - EINE CHANCE Sangrias Herde wird auf eine besondere Art zur Adoption freigegeben - eine Internet Auktion. So hat jeder Interessent die Chance auf einen dieser wunderbaren Mustangs zu bieten. Nicht zuletzt aufgrund der lückenlosen Dokumentation der Fotografen der South Steens Herde finden fast alle Pferde ein Zuhause. Über Jahre haben sich viele Fotografen zur Aufgabe gemacht, diese Herde zu beobachten, zu fotografieren und bekannt zu machen.

American Mustang Germany ist am Ende Höchstbietender für den jungen Pintomustang Sangria. Ähnlich einer Ebay-Auktion erhält der Letztbietende den Zuschlag. Sangria wird als Botschafter nach Deutschland importiert werden. Er wird für seine wilden Freunde in den Auffangstationen stehen und dazu beitragen viele Menschen auf die Rasse aufmerksam zu machen.

Aber vorerst muss er noch ein Jahr in den USA verbringen. Das Adoptionsjahr ist ein gesetzlich vorgeschriebener Zeitraum, welcher zum Schutz des Mustangs eingeführt wurde. Dieses Jahr soll verhindern, dass Mustangs als Schlachttier gekauft und über die Grenzen in Schlachthöfe gefahren werden, denn in den USA herrscht absolutes Schlachtverbot für Pferde. Zudem ist es möglich Mustangs während des Adoptionsjahres ohne Angabe von Gründen zum BLM zurückzubringen.

EIN NEUES ZUHAUSE Am 2. März 2017 verlässt Sangria die Auffangstation und wird über ein Gangsystem auf den Hänger verladen. Die Pferde sind bis zu diesem Zeitpunkt immer noch untrainiert. Zusammen mit einem schwarzen Stutfohlen und einer 5-jährigen Palominostute beginnt Sangrias Reise nach Georgia. Dort wird er sein Adoptionsjahr bei der TOP Trainerin von American Mustang Germany verbringen.

Er wird nach seiner Ankunft innerhalb der ersten Tage an den Menschen gewöhnt und später auf die Ausreise vorbereitet. Ältere Mustangs werden auf Wunsch gerne angeritten und während des Adoptionsjahres weiter trainiert. Eine Regelung des BLM ist die Kontrolle der Trainer und Pferde während des Adoptionsjahres. Auch dies dient ausschließlich dem Schutz des Mustangs. Sollte es zu Beanstandungen kommen, kann der Trainer für weitere Adoptionen gesperrt werden.

Am Ende des Adoptionsjahres wird Sangria seine BLM- Mustang Papiere - den sogenannten "Title" erhalten und endlich seine Reise nach Deutschland antreten. Er hat eine wunderbare Zeit vor sich. Wer einmal mit Mustangs gearbeitet hat, weiß wie wundervoll es sich anfühlt, wenn diese Pferde das Vertrauen zum Menschen aufbauen und sich ganz ohne Halfter und Seil dem Trainer anschließen. Es ist fast wie Magie.

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